Durch gewaltfreie Aktionen gerechtem Frieden näher kommen
02. Nov 2016
Auch fünf Jahre nach ihrer ersten Veröffentlichung hat die von Maria J. Stephan und ihrer Kollegin Erica Genoweth verfasste Studie "Warum ziviler Widerstand funktioniert: Die strategische Logik gewaltfreier Konflikte" nichts von ihrer Aktualität verloren. Im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart hielt Maria Stephan nicht nur einen wissenschaftlichen Vortrag, bei dem Forschungsergebnisse für ein Fachpublikum präsentiert wurden. Ihr Vortrag war auch ein deutlicher Appell in die Politik und eine große Ermutigung an die Friedensbewegung, gewaltfreie Aktionen zu unterstützen, sich für gewaltfreie Bewegungen einzusetzen, sie zu schützen und durch Friedensbildungsarbeit Wissen und Methoden der gewaltfreien Aktion breiter zu vermitteln.Gewaltfreier Widerstand ist gegenüber repressiven Regimes chancenlos; gewaltfreie Methoden wie etwa Demonstrationen bringen nichts, wenn ein autoritärer Diktator abgesetzt werden soll; gewaltsame Strategien helfen letztendlich doch eher als gewaltfreie - das sind landläufige Behauptungen zum Thema gewaltfreier Widerstand. Vor diesem Hintergrund bleibt der Hauptbefund von Maria Stephans Studie überraschend und irritierend: Gewaltfreie Strategien sind doppelt so erfolgreich wie gewaltsame. Dieser Befund basiert dabei auf der Analyse von nicht weniger als 323 Fällen (gewaltsame und nicht gewaltsame Aufstände, Revolutionen etc.) im Zeitraum von 1900 bis 2006.
Maria Stephan verstand es, den Anwesenden im Haus der katholischen Kirche in Stuttgart die spezifischen Erfolgsbedingungen gewaltfreier Bewegungen näher zu erläutern: Sie erlauben mehr Menschen, sich zu beteiligen, weil sie Menschen mit unterschiedlichen Einstellungen integrieren können und man keine besonderen Voraussetzungen (physisch, Expertise etc.) mitbringen muss. Ein wesentliches Moment ihres Erfolgs liegt auch in Strategien, Taktiken, Instrumenten, die sehr vielseitig sind und wechselnd eingesetzt werden. An dieser Stelle verwies Maria Stephan auf die Arbeit von Gene Sharp (1993), der 198 verschiedene Methoden und Mittel des gewaltfreien Vorgehens in einer Art Katalog auflistet und damit verdeutlicht, dass gewaltfreier Widerstand eben viel mehr sein kann als Demonstrationen auf der Straße (dt. Übersetzung bei C.H. Beck, 2014). Maria Stephan und Erica Genoweth lieferten mit ihrer Studie den Beweis, dass gewaltfreie Strategien am Ende des Tages nicht nur deutlich erfolgreicher bei der Erreichung der Ziele (Regimewechsel, Unabhängigkeit etc.) sind, sondern in der betreffenden Gesellschaft auch nachhaltig einer friedlichen und demokratischen Entwicklung zuträglich sind.
In der anschließenden Diskussion mit zahlreichen Wortmeldungen, etwa zur Situation in Israel/Palästina oder in Syrien wurde deutlich, dass es trotz der verbreiteten Skepsis gegenüber gewaltfreier Methoden ein großes Interesse gab, mehr über die Details der Forschung aber auch über die vielen positiven Beispiele gewaltfreier Aufstände zu erfahren. Wenden Sie Sich gerne an unsere Geschäftsstellen, wenn Sie weiteres Material zur Arbeit von Maria Stephan, über das Konzept der Gewaltfreiheit oder dessen Umsetzung in der Friedensarbeit erfahren möchten.
Mehr (auf Englisch) über Maria Stephan erfahren Sie auf den Seiten des United States Institute of Peace (USIP), an dem sie arbeitet. Wenn Sie Sich für die Fortsetzung von Maria Stephans und Erica Genoweths Forschung interessieren, dann finden Sie hier einen Artikel, der kürzlich in der Washington Post erschien und die jüngsten Forschungsergebnisse kurz zusammenfasst.
Unmittelbar vor ihrem Besuch in Stuttgart war Maria Stephan bereits Gast auf der Delegiertenversammlung der deutschen Sektion von pax christi. Hier finden Sie ein Video ihres Vortrags dort.